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Zur Situiertheit von Kunst- und Wissen(sproduktion) am Beispiel aktueller Jugendliteratur

Im Spannungsfeld aktueller Diskurse rund um Anti-Diskriminierung in Kunst und Kultur, Fragen der kulturellen Aneignung und Vorwürfen von Sprech- und Schreibverboten wurden in den letzten Jahren kontroverse Diskussionen über künstlerische «Freiheit» geführt. Dass Kunst- und Wissensproduktion immer historisch, kulturell und körperlich situiert sind und warum die Frage, wer über wen schreibt, durchaus Bedeutung hat, zeigt ein Blick auf aktuelle deutschsprachige Jugendliteratur über Rassismus und Kolonialismus.



3.5.24

 

Vor dem Hintergrund von – auf sozialen Medien, im Feuilleton ebenso wie in universitären Kontexten – hitzig diskutierten Fragen der kulturellen Aneignung und nicht selten bedrohlich heraufbeschwörten (vermeintlichen) Schreib- und Sprechverboten wurden in den vergangenen Jahren kontroverse Debatten um die häufig so bezeichnete «Freiheit» (in) der Kunst und Kultur geführt. Immer wieder wurden (und werden) diese auf verabsolutierende Entscheidungsfragen zugespitzt, die nach einer eindeutigen, ein für alle Mal gültigen Antwort auf die Frage des künstlerischen «Dürfens» in einem scheinbar immer komplexer werdenden Diskursfeld zu verlangen schienen. Auch im Feld der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur wurden diese Kontroversen – nicht nur im Rahmen der mehrfach geführten Debatten um die Verwendung diskriminierender und insbesondere rassistischer Begriffe in Kinderbuchklassikern (zunächst im Jahr 2013, dann abermals 2020 bis heute) – immer wieder aufgerollt.[i]

 

Schreibentscheidungen und situiertes Wissen

Dass es in diesen Diskussionen – wenn sie ernst- und gewissenhaft geführt sein wollen – zwar nicht um Schreib-Ge- oder -Verbote gehen soll, die Frage, wer worüber schreibt, aber dennoch Bedeutung hat, zeigt auf sehr anschauliche und differenzierte Weise ein Gespräch, das am 2. Mai 2023 im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Kontrovers. Debatte über aktuelle Tendenzen in der Kinder- und Jugendliteratur» in der Münchner Stadtbibliothek geführt wurde. Unter dem Titel «Wie schreibt man postkolonial? Kolonialismus in deutschen Kinder- und Jugendbüchern» diskutierten die 2023 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Autorin und Diversity-Trainerin Chantal-Fleur Sandjon, die Sozialwissenschaftlerin Eva Bahl, die Literaturkritikerin Christine Knödler und der Lektor Frank Griesheimer über drei Jugendbücher, die sich mit der europäischen und deutschen Kolonialzeit auseinandersetzen. Alle drei Werke, das aus dem Niederländischen übersetzte «Wie schön weiß ich bin» von Dolf Verroen (2005), «Blut und Schokolade» von Peer Martin und «Therese. Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte» von Hermann Schulz (2021), wurden von weißen europäischen Autoren verfasst – und wie die Diskussion zeigt: diese Verfasstheit ist ihnen anzumerken. Einerseits kritisieren die Expert*innen fehlende (Selbst-)Reflexionen der Verfasser, die ausstellende Reproduktion rassistisch-gewaltvoller Strukturen und Handlungen sowie unrealistische Darstellungen aufgrund von entweder fehlendem oder ausgeblendetem Wissen bzw. Einfühlungsvermögen von Seiten der Autoren, sowie andererseits ungenutzte Chancen der Repräsentation von Perspektiven und der agency Schwarzer Figuren.



Dass Wissen immer situiert ist, d. h. konstitutiv an historische, kulturelle und (ver)körperlich(t)e Spezifika gebunden ist, hat bereits Donna Haraway im Kontext feministischer Theorie gezeigt.[ii] Und auch die Postcolonial Studies stellen die Möglichkeit einer «neutralen» Wissensproduktion grundlegend infrage. Mit Blick auf (Kinder- und Jugend-)Literatur spielt dabei die Frage, wer über wen spricht bzw. schreibt, sowohl inner- als auch außerfiktional,[iii] eine zentrale Rolle. Während es in Peer Martins «Blut und Schokolade» der weiße Vater ist, der die Geschichte seiner Schwarzen Familienmitglieder aufschreibt (während die Schwarze Mutter dankend zusieht), basiert Hermann Schulz’ «Therese» auf dem realen Leben von Thérèse William, die 1900 als Tochter eines Paars aus Togo, das in Europa auf Völkerschauen und Kolonialausstellungen auftrat, in Deutschland geboren und von weißdeutschen Pflegeeltern großgezogen wurde. Schulz lernte sie 1977 bei einem Aufenthalt in Lomé kennen, wo sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählte. Gut 40 Jahre später verwandelte er die so erhaltenen Kassettenaufzeichnungen in einen fiktionalisierten Jugendroman, der sich als einer der wenigen Texte für junge Leser*innen mit der Geschichte Schwarzer Menschen im deutschsprachigen Raum «zwischen Kaiserreich, Erstem Weltkrieg, Weimarer Republik, Nazi-Zeit und Bundesrepublik»[iv] beschäftigt. Dabei greift der heterodiegetisch (d. h. in der dritten Person) erzählte Text – unter dem Vorwand historischer Genauigkeit – immer wieder auf diskriminierende Begriffe wie das N- oder das M-Wort zurück. Während die Gedankenwelt von Thereses weißdeutschen Pflegeeltern detailliert beleuchtet und ihre Handlungen und Überlegungen nachvollziehbar ausgestaltet werden, bleibt Therese – obwohl sie die Hauptrolle spielt – über weite Teile des Romans zudem seltsam unnahbar. Insbesondere ihre Schwarzen Eltern und die Togoer*innen, mit denen sie durch Europa reisen, werden gleich zu Beginn des Romans aus einer Außenperspektive präsentiert, die sie als sonderbare, ja teilweise bedrohliche Fremde inszeniert und so einem hierarchisierenden Othering-Prozess unterzieht. Ihre Gedanken lernen wir nicht bzw. kaum kennen; jenen des weißdeutschen Fuhrmanns, den Thereses Vater im zweiten Kapitel auf der Straße trifft und der im weiteren Text nicht wieder vorkommt, folgen wir jedoch über ganze sechs Seiten hinweg. Gemeinsam mit der Szene, in der die Performance-Truppe aus Togo das erste Mal in Wuppertal ankommt, eröffnet diese Passage den Roman und setzt so nicht nur den Ton sowie den Fokus der Perspektivierung für die weitere Erzählung, sondern inszeniert Thereses Vater auch als «Magical N*gro», der dem in Not geratenen Fuhrmann auf wundersame Weise zur Hilfe eilt.


Aus wessen Erfahrungswelt erzählen wir? Und in wessen Erfahrungswelt können wir uns – mithilfe welcher Recherche-, Reflexions- und Erzählstrategien – einfühlen?

Wie solche «Schreibentscheidungen» das Dargestellte prägen und dieses naturalisieren, erläutert auch Chantal-Fleur Sandjon: «Das sind Schreibentscheidungen, die wir als Schreibende treffen, und wir können auch andere Entscheidungen treffen. Das ist nicht einfach die Geschichte, wir lassen sie geschehen.» Was wäre alles möglich gewesen, hätte die Erzählinstanz einen tieferen Einblick in die Gedanken und Gefühle etwa von Thereses Vater gewährt? Welche Formen des Widerstandes gegen oder der Appropriation bzw. Resignifizierung von dominanten Narrativen und kolonialistischen Bildern hätten sichtbar gemacht werden können? Dokumentierte historische Beispiele für ebensolche gibt es durchaus, wie etwa Susann Lewerenz’ Analyse der verschiedenen Selbstrepräsentationsstrategien der 1909-1954 in Deutschland tätigen Schwarzen Zirkusfamilie Jackson-Leyseck veranschaulicht.[v]

 


Dialogizität und kritisches Weißsein

In der Suche nach möglichen Formen des antirassistischen Schreibens als weiße*r Autor*in betonen Bahl und Sandjon zum einen die Bedeutung des Perspektivenwechsels in der Erzählung, sowie zum anderen jene der Auseinandersetzung mit der eigenen Positionierung, d. h. mit der eigenen Rassifizierung[vi] und der eigenen Verwobenheit in globale Machtverhältnisse. Im Zentrum steht dabei die Frage: Aus wessen Erfahrungswelt erzählen wir? Und in wessen Erfahrungswelt können wir uns – mithilfe welcher Recherche-, Reflexions- und Erzählstrategien – einfühlen?


Zwei Bücher, die hierfür – auch aufgrund der verschiedenen Affordanzen ihrer jeweiligen medialen Form – sehr unterschiedliche Strategien finden, sind die Graphic Novel «Rude Girl» von Birgit Weyhe (2022) und der Jugendroman «Weiße Tränen» von Kathrin Schrocke (2023). Erstere entstand ausgehend von einer persönlichen Erfahrung der Comickünstlerin, die auch am Beginn des Buchs reflektiert wird: Als Autorin von Graphic Novels wie «Madgermanes» (2016), das sich mit der Geschichte von Vertragsarbeiter*innen aus Mosambik in der DDR auseinandersetzt, oder «Lebenslinien» (2020), das Migrationsgeschichten verschiedener Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen in gezeichneten Kurzbiografien sammelt, wird Birgit Weyhe auf einer Germanistik-Tagung im Mittleren Westen der USA mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung konfrontiert. Ihre erste (Trotz-)Reaktion auf die aufgeworfene Frage, wovon und wie sie als weiße Frau aus Norddeutschland (die ihre Kindheit und Jugend in Kenia und Uganda verbracht hat) erzählen «darf», kann bzw. soll, bringt sie in «Rude Girl» selbstkritisch auf den Punkt: «Ich bin beleidigt. / In Zukunft werde ich nur noch über mittelalte weiße Frauen aus Norddeutschland schreiben.» Dass alles ganz anders kommt, als diese selbstironische Passage andeutet, verrät schon der Blick auf das Cover des Buchs: Nach einer Begegnung mit der US-amerikanischen Germanistin Priscilla Layne, mehreren gegenseitigen Interviews und gemeinsamem kritischem Austausch beschließt Weyhe, einen Comic über ihre neue Bekanntschaft zu verfassen: «Über das Leben einer außergewöhnlichen Frau, die weder weiß ist, noch mittelalt, noch aus Norddeutschland kommt.» Was zunächst als ein aus 3x6 Panels bestehender Comicstrip auf der Comicseite der deutschen Tageszeitung «Der Tagesspiegel» erscheint (und in dieser Form auch in die Comic-Anthologie «Lebenslinien» Eingang findet), wird zwei Jahre später zu einem 312 Seiten umfassenden Buch, das die Kindheit und Jugend der in Barbados geborenen und in Chicago aufgewachsenen Germanistik-Professorin nachzeichnet. Dabei ergänzt Weyhe die aus ihrer Feder stammenden Lebensgeschichte durch eine metareflexive Ebene und bringt erstere so in einen (selbst-)kritischen Dialog mit der Biografierten: Regelmäßig werden die Episoden aus Laynes Leben durch einfarbige Szenen durchbrochen, in denen Layne das von Weyhe Erzählte und Gezeichnete wortwörtlich in die Hand nimmt, rezipiert, kommentiert, ergänzt und teilweise auch korrigiert. Dabei bleiben ihre Einwürfe nicht isoliert von bzw. ohne Konsequenzen für den biografischen Erzählstrang. Immer wieder greift Weyhe die von Layne eingebrachten Aspekte explizit auf und verändert als Antwort darauf teilweise auch ihre künstlerische Zugangsweise – etwa in ihrer Darstellung von Hautfarben: Nachdem Layne auf Weyhes farbenblinde Gestaltung, die Hautfarben nicht kennzeichnet, zu Beginn der Erzählung hinweist, greift die Künstlerin für den weiteren Verlauf des Buchs auf einen mehrfarbigen Stil zurück, der unterschiedliche Hauttöne weder ausblendet noch überzeichnet, sondern differenziert ins Bild setzt. Im Dialog mit der Biografierten entsteht so eine vielstimmige Graphic Novel, in der das gemeinsame Erzählen und voneinander Lernen vor eine vermeintliche Autorität von Autor*innenschaft tritt.


Nicht nur das «Was» einer Erzählung ist von Bedeutung, sondern auch ihr «Wie».

Ganz anders geht Kathrin Schrocke in ihrem Jugendroman «Weiße Tränen» vor, in dem sie unter anderem ebenjene Formen von Rassismus thematisiert, die in unserer Gesellschaft so normalisiert sind, dass sie von den meisten weißenMenschen unbemerkt reproduziert werden. Erzählt wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive des 16-jährigen Lenni, der in einem kleinen Ort im Schwarzwald aufwächst und sich als weißer Junge aus einer bürgerlichen Familie bisher wenig Gedanken über seine Privilegien gemacht hat. Dreh- und Angelpunkt des Romans ist Lennis Schule, die sich selbst als liberal, vorurteilsfrei und weltoffen begreift (und sich auch dementsprechend inszeniert), unbewusst aber letztendlich dennoch an rassistischen Strukturen und Zuschreibungen festhält. Sichtbar wird dies nicht nur, als der aus Leipzig stammende Benjamin als erster Schwarzer Schüler ans Kant-Gymnasium kommt, sondern unter anderem auch durch die zunehmend widerständigen Stimmen von Lennis bestem Freund Serkan und dessen Schwester Elif, die es satthaben, wegen ihres Aussehens, ihrer Namen und der Herkunft ihrer Großeltern (!) stets als «anders» und nicht vollständig zugehörig wahrgenommen zu werden. Die Perspektivierung aus Lennis Gedanken- und Erfahrungswelt ermöglicht dabei eine detaillierte Auseinandersetzung mit den so häufig unsichtbar gemachten Privilegien des Weißseins, den hartnäckigen Mechanismen ihrer Verdrängung sowie mit dem schwierigen und durchaus schmerzlichen Prozess deren (An)Erkennung. Die Fokussierung auf Lennis Ich-Perspektive ermöglicht es so einerseits zu zeigen, dass «Rassismus ein weißes Problem ist. Rassismus berührt von dort aus das Leben Nichtweißer. Während Benjamin zu Hause sitzt, läuft die Maschinerie ganz ohne ihn weiter.» (Nachtwort der Autorin). Andererseits wird sie durch eine differenzierte Figurenzeichnung nichtweißer Charaktere ergänzt, die deren Erfahrungen und Positionen ernst nimmt und – mit Blick auf alle Figuren – Ambivalenzen und Uneindeutigkeiten zulässt und aushält, anstatt diese auflösen zu wollen. Gemeinsam mit einer präzisen Sprache und Dramaturgie, die soziale Dynamiken und Machtmechanismen nicht verschleiern, sondern unmissverständlich offenbaren, entsteht so eine vielschichtige Erzählung, die von einer gewissenhaften Auseinandersetzung mit kritischem Weißsein – wie sie Chantal-Fleur Sandjon im Gespräch in der Münchner Stadtbibliothek fordert – zeugt. In ihrem Nachwort macht Schrocke zudem auf jene Schwarze Wissenstraditionen aufmerksam, auf die sie in ihrem Roman zurückgreift, und verweist auf Antirassismustrainer*innen, Lektüren und Podcasts, die ihr in ihren Recherchen behilflich waren.

 

«Es braucht wirklich alle im Kampf gegen Rassismus.»

Wie anhand dieser Beispiele deutlich wurde, ist also nicht nur das «Was» einer Erzählung von Bedeutung, sondern auch – und insbesondere – ihr «Wie». Zugleich sind diese beiden Ebenen nicht immer so einfach voneinander zu trennen. Wie auch die Diskutand*innen in der Münchner Stadtbibliothek betonen, ist es höchste Zeit, dass sich die Kinder- und Jugendliteratur umfassend mit der Geschichte und Gegenwart von Kolonialismus und Rassismus im deutschsprachigen Raum auseinandersetzt. Dafür benötigt es den aktiven Beitrag so vieler Akteur*innen wie möglich. Denn häufig sind es jene hegemonialen Strukturen, die Unterdrückungen produzieren, die sich auch selbst aufrechterhalten: Während etwa in Österreich 2020 knapp hunderttausend Menschen auf die Straßen gegangen waren, um gegen Polizeigewalt und Rassismus zu demonstrieren, erreichte das zwei Jahre danach von der Initiative «Black Voices» ins Leben gerufene Volksbegehren gegen Rassismus, das eine Verbesserung der «institutionelle[n], repräsentative[n], gesundheitliche[n], bildungspolitische[n], arbeitsrelevante[n] und sozioökonomische[n] Stellung» von People of Colour forderte, nicht die nötigen 100.000 Unterschriften, um im Nationalrat behandelt zu werden. Auf die Frage, ob viele von den unter dem Banner von «Black Lives Matter» demonstrierenden Menschen im Jahr 2022 – als es um das Unterzeichnen des Volksbegehrens ging – «ausgelassen» hätten, antwortet Melanie Kandlbauer, Vorstandsmitglied von «Black Voices», in einem Interview mit dem Südwind-Magazin:


«Ich denke, das Problem ist, dass viele Menschen, die hierzulande von Rassismus betroffen sind, das Volksbegehren gar nicht unterschreiben dürfen, da man dafür Staatsbürgerin bzw. Staatsbürger sein muss. […] Abseits davon: Das Thema ist nach wie vor schwierig zu vermitteln. Denn einerseits ist es für Betroffene mitunter nicht leicht, darüber zu reden. Und andererseits finden weite Teile der Gesellschaft zwar, dass Rassismus etwas Schlechtes ist, aber zum aktiven Handeln ist es noch ein weiterer Schritt. Es braucht wirklich alle im Kampf gegen Rassismus.»

Auch wenn es am deutschsprachigen Buchmarkt keine gesetzlichen Zugangsbeschränkungen gibt, die die Partizipation von Schwarzen Autor*innen und Autor*innen of Colour verhindern, sind diese – insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur – nach wie vor mehrfachen Marginalisierungen ausgesetzt, die ihnen den Zugang zu bestehenden Infrastrukturen erschweren.[vii] Um ein Umdenken innerhalb dieser Strukturen herbeizuführen, bedarf es – wie es Melanie Kandlbauer formuliert – aller Beteiligten. Dies bedeutet, dass auch weiße Akteur*innen im Literaturbetrieb ihre Verantwortung im Abbau diskriminierender Strukturen wahrnehmen müssen.



 


[i] Siehe hierzu Mustapha Diallo: Sprachliche Gewalt und literarische Authentizität. Anmerkung en zur Debatte um diskriminierende Bezeichnungen in Kinderbüchern In: Heidi Hahn, Beate Laudenberg / Heidi Rösch (Hg.): «Wörter raus!?» Zur Debatte um eine diskriminierungsfreie Sprache im Bilderbuch. Weinheim/Basel 2015, S. 39-47; Joseph Kebe-Nguema: Falsche Debatte? In: JuLit 1 (2022), S. 22-27; Claudia Sackl: Kinderbuchklassiker postkolonial lesen, oder: Warum Literatur(vermittlung) und Lektüre immer schon politisch sind. In: 1001 Buch 3 (2023), S. 9-12.

[ii] Vgl. Donna Haraway: Situated Knowledges. The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective. In: Feminist Studies 14.3 (1988), S. 575-599.

[iii] Der Begriff „innerfiktional“ bezieht sich hier Erzähl- und Sprechpraktiken innerhalb der Fiktion bzw. des literarischen Textes (d. h. von Figuren und Erzähler*innen), während „außerfiktional“ auf das Erzählen und Sprechen außerhalb der Fiktion bzw. des literarischen Textes verweist (d. h. auf Autor*innen und andere Akteur*innen im Literaturbetrieb).

[iv] Hermann Schulz: Nachwort. In: Hermann Schulz: Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte. München 2021, S. 296-299, hier S. 297.

[v] Vgl. Susann Lewerenz: Between ‚Africa‘ and ‚America‘. Performance Identities of an Afro-German Circus Family (1909-1954). In: BDG Network (Hg.): The Black Diaspora and Germany. Deutschland und die Schwarze Diaspora. Münster 2018, S. 101-117.

[vi] Rassifizierung beschreibt einen Prozess der «Zuschreibungen an Personen und Personengruppen über das Aufrufen und Verwenden der [biologistischen] Kategorisierung ,Rasse‘» (AntjeLann Hornscheidt / Adibeli Nduka-Agwu: Der Zusammenhang zwischen Rassismus und Sprache. In: AntjeLann Hornscheidt / Adibeli Nduka-Agwu (Hg.): Rassismus auf gut deutsch. Ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen. Frankfurt a. M. 2013, S. 11-49, hier S. 13). ‚Schwarz‘ bezeichnet in diesem Sinne nicht die Hautfarbe einer Person, sondern kennzeichnet „Erfahrungen und Überlebensstrategien, aber auch kulturelle Referenzen und tradiertes Wissen“ (Sharon Dodua Otoo: Dürfen Schwarze Blumen malen? Klagenfurter Rede zur Literatur. Klagenfurt/Celovec 2020, S. 9) teilen und wird daher auch als Adjektiv großgeschrieben. Auch der Begriff ‚weiß‘ bezeichnet keine biologische Identität, sondern eine gesellschaftspolitische Positionierung. Um zu kennzeichnen, dass es sich dabei um einen Begriff für die Analyse rassistischer Strukturen handelt, wird es hier klein und kursiv geschrieben.

[vii] Vgl. hierzu Élodie Malanda: Afrodeutsche und afrofranzösische Kinder- und Jugendbücher. Eine ‚ganz, ganz kleine‘ Literatur? In: # breiterkanon vom 27.01.2022, https://breiterkanon.hypotheses.org/568 [13.02.2024].

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